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„Hilft beten?“ – Dieser Frage stellte sich "miteinander" anlässlich des Weltgebetstags um geistliche Berufe. Ist Beten ein Mittel, um in einer schwierigen Situation zu einer Lösung zu kommen? In scheinbar aussichtlosen Situationen sagt man dann: „Da hilft nur mehr beten.“ Wer dies sagt, erhofft vielleicht noch eine wunderbare Änderung der Situation – meist aber mit einer gehörigen Portion Zweifel, ob denn Beten überhaupt hilft. Es ist dann offenkundig ein Heilmittel unter anderen; wenn es nicht hilft, dann schadet es wenigstens nicht.
Das kann aber doch nicht das christliche Verständnis von Beten sein. Ganz allgemein verstehen wir es doch als Gespräch mit Gott, als Kommunikation mit jenem, der über uns, der größer ist, dem wir uns verdanken, dem gegenüber wir letztlich verantwortlich sind. Diese Beschreibung des Betens finden wir schon in der ältesten christlichen Tradition, sie passt fast zu allen Religionen. Aber wo liegen die besonderen Akzente des christlichen Betens?
Wir beten mit Israel
Als christliche Beter stehen wir in der Nachfolge Israels. Unser Gott ist nicht nur eine höhere Macht, eine unbegreifbare Kraft, fern und unnahbar. Wir glauben nicht (nur) an den Gott der Philosophen, sondern an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, wie der große Mathematiker und Physiker Blaise Pascal († 1662) in seinem „Mémorial“ formulierte.
Israel betet zu Jahwe, zum „Gott mit uns“, zum Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, zum Gott, der zugleich für uns da ist. Wir finden in der Patriarchengeschichte im Buch Genesis wiederholt kurze Gebetsrufe: Rufe um Hilfe in Not, Rufe des Lobes Gottes, Rufe des Dankes an Gott. Diese Gebetsrufe stehen nicht in einem liturgischen Kontext, sie finden sich mitten in einem profanen Erzählzusammenhang. Dahinter steht die Überzeugung, dass Gott ein gegenwärtiger ist, ein immer ansprechbarer, einer, der uns mitten im Alltag begleitet. Beten ist in diesem Zusammenhang konkrete Kommunikation mit Gott – in den verschiedenen Situationen des menschlichen Lebens. Dieses Verständnis von Gebet begegnet uns auch in den Psalmen, dem große Gebetbuch Israels, dem Gebetbuch auch der Kirche und der Christen. Da finden wir Lob- und Dankpsalmen, da finden wir Klagen und Bitten. In jeder Lebenssituation des Einzelnen oder der Gemeinschaft kann dieser Ruf zum „Gott-mit-uns“ entstehen.
Beten durch Jesus Christus
Ansätze für eine Theologie des christlichen Betens bietet uns der Apostel Paulus. Das Gebet des Christen ist für Paulus ein Sprechen zum Vater durch Christus. Dieses Beten ist ermöglicht durch den Heiligen Geist. Das bringt der Apostel in zwei fast gleichlautenden Texten zum Ausdruck. „Weil ihr Söhne seid“ – heißt es in Gal 4,6 – „sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater.“ Und in Röm 8,15 erklärt der Apostel: „Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater!“
Der Christ darf durch den Geist – als Gabe des Auferstandenen – eintreten in die Gottesbeziehung Jesu; wie dieser darf er Gott mit dem vertrauten Wort „Abba“ ansprechen. Das christliche Gebet ist daher nicht vollständig beschrieben, wenn man es nur als Dialog mit Gott beschreibt; es ist vielmehr ein „trinitarisch umgriffenes“ Gebet (Hans-Martin Barth). Dass unser Gebet durch den Heiligen Geist ermöglicht wird, bringt Paulus auch in Röm 8,26f zum Ausdruck: Wir wissen ja nicht, „worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können. Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein.“
Wir Christen beten zum Vater durch Christus im Heiligen Geist. Das ist auch die Gebetsorientierung der Liturgie. Die meisten Orationen, vor allem jene, die aus der ältesten Tradition stammen, sind an den Vater gerichtet – durch Christus im Heiligen Geist. Übrigens richtet auch Paulus seinen Dank und seine Bitten, vor allem im Eingangsabschnitt seiner Briefe immer an den Vater. Es gibt bei ihm kein Gebet, das direkt an Christus gerichtet wäre, wenn man vom Ruf „Maranatha“ (Unser Herr, komm! – 1 Kor 16,22) und von der Bitte um Befreiung von den „Schlägen Satans“ in 2 Kor 12,8 absieht.
Wir dürfen durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt wurde, eintreten in das Gespräch Jesu mit seinem Vater. Diese Vertrautheit wird durch die aramäische Anrede „Abba“ gekennzeichnet. Jesus spricht immer vom „Vater“ – und damit ist wohl immer das „Abba“ gemeint, auch wenn das Wort nur im Beten Jesu in Gethsemani (Mk 14,36) ausdrücklich erwähnt wird. Das Vertrauen, die Geborgenheit, die Gemeinschaft kommen in der Abba-Anrede zum Ausdruck. Wenn Paulus an den beiden erwähnten Stellen aus dem Römer- und dem Galaterbrief diese Anrede für Hörer, die nicht des Aramäischen kundig sind, zitiert, wenn er gleich die Übersetzung „Abba – Vater“ hinzufügt, dann muss für die Christen dieser Generation, die aus dem Heidentum stammen, mit diesem Wort etwas von der ursprünglichen Atmosphäre der Verkündigung und der Wirksamkeit Jesu mitschwingen.
Hilft beten?
Christliches Beten ist nicht ein Versuch, mit dem fernen und unnahbaren Gott mühsam Kontakt aufzunehmen, sondern ein vertrautes Gespräch mit dem Vater. Ihn preist Jesus als den Herrn des Himmels und der Erde, weil er sich gerade den Unmündigen geoffenbart hat (vgl. Mt 11,25), er ruft Gott, seinen „Abba“, an in seiner Todesangst (vgl. Mk 14,36). Aber seine Bitte, dass die „Stunde“ vorübergehe, dass der Kelch von ihm genommen werde (vgl. Mk 14,35f), wurde so nicht erfüllt – aber zweifellos vom Vater gehört.
„Hilft beten?“ Wenn Beten nicht hilft, dann ist es wohl ein untaugliches Mittel, auf das man sich nicht verlassen kann, das man auch überhaupt „lassen“ kann. Wenn man Beten im Sinn des heiligen Paulus als Hineingenommenwerden in den intimen Dialog des Sohnes mit dem Vater versteht, dann ist die Frage „Hilft beten?“ eigentlich deplatziert. Beten ist keine Frage des wirksamen Mittels zum Zweck. Beten ist ein Geschehen auf personaler Ebene.
Von daher sind auch die traditionellen Inhalte des Gebetes zu sehen und zu verstehen. Das Lob Gottes ist Ausdruck der Faszination von Gott, Ausdruck der Freude an Gott, vergleichbar mit einer zwischenmenschlichen Liebesbeziehung. Der Dank an Gott ist Ausdruck der Erfahrung der Begleitung und der Nähe Gottes, eben des „Gott-mit-uns“. Die Bitte an Gott ist oft ein Ruf um Hilfe und Rettung, aber die Bitte ist zugleich ein Ausschütten meiner Sorgen, ein Darbieten meiner negativen Befindlichkeit, ein Ausdruck meines Vertrauens, dass Gott mit uns ist, auch wenn unsere Wünsche und unsere Bitten nicht so in Erfüllung gehen, wie wir erwarten. Eines ist sicher: Es gibt keine ungehörten Bitten, wie Jesus versichert: „Wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wir geöffnet!“ (Mt 7,8) – „Euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet.“ (Mt 6,7)
Beten hilft immer – aber nicht immer so, wie wir es uns vorstellen!
Josef Weismayer
Zur Person: Prälat Dr. Josef Weismayer war von 1997 bis 2004 Ordinarius für Dogmatische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
Buchtipp
Michael Rosenberger, Im Geheimnis geborgen. Einführung in die Theologie des Gebets, echter-Verlag, 151 Seiten, € 15,30 (ISBN 978-3-429-03529-7). Buchinformationen beim echter-Verlag