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Vom Loslassen

Volkskirche, ade...

Ein historischer Parforceritt von Markus Andorf

Abschiede durchziehen die Kirchengeschichte von Beginn an: Heute steht die Kirche vor einem epochalen Umbruch: dem Abschied von der Volkskirche.

 

Eine Kirche, die das ganze Volk repräsentiert. So könnte man den Begriff Volkskirche erklären – in den letzten Jahrhunderten die treffende Bezeichnung für die katholische Kirche in Österreich. Die Mehrheit der Menschen im Land war katholisch. Das ist sie auch heute noch, doch die Zahl der Katholiken sinkt. 2001 waren es noch fast sechs Millionen Katholiken, Ende des vergangenen Jahres nur mehr etwas mehr als fünf Millionen. Und von diesen fünf Millionen bezeichnet sich wohl nur mehr ein Bruchteil als aktive, praktizierende Katholiken. Kurz: Die katholische Kirche repräsentiert nicht mehr den Großteil der Österreicherinnen und Österreicher.

 

Etwa seit dem 15. Jahrhundert gab es in Österreich eine enge Verbindung von Thron und Altar: die Katholische Kirche war die Staatskirche der Monarchie. Diese Vorherrschaft auf politischer Ebene machte sich auch in der Gesellschaft bis zum Ende der Habsburger-Monarchie 1918 deutlich bemerkbar: Das Katholisch-Sein prägte das Alltagsleben. Selbst die Zwischenkriegszeit wurde in Österreich noch von christlich-sozialen Politikern geprägt, die katholischen Vereine etablierten sich. Mit dem Priester Ignaz Seipel hatte sogar ein Geistlicher das Amt des Bundeskanzlers inne. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Trennung von Staat und Kirche forciert – dennoch blieb die Katholische Kirche Volkskirche: 1951 waren noch fast 90 Prozent katholisch.

 

Auch wenn das Zweite Vatikanische Konzil in den 60er-Jahren dem Katholizismus in Österreich neuen Schwung verlieh, begann der Anteil der Katholiken gemessen an der Gesamtbevölkerung ab 1961 zu sinken. Die Katholische Kirche büßte viel gesellschaftlichen Einfluss ein. Mit steigender gesellschaftlicher Modernisierung kommt es zugleich zu einem Traditionsverlust. Die Kirche – sie ist nicht mehr selbstverständlicher Teil der Biografie des modernen Menschen. Auch spricht sie offenbar nicht mehr die Sprache der Menschen. Der Begriff Volkskirche bekommt zunehmend einen hohlen Klang.

 

Relaunch des Konzepts Volkskirche

 

Papst Franziskus bemüht sich von Beginn seines Pontifikats an, dem Begriff "Volkskirche" eine neue Gestalt zu geben, ihm neuen Geist einzuhauchen.So fordert er eine Kirche für das Volk, eine Kirche, die für die Menschen da ist. Nicht Äußerlichkeiten oder klerikales Denken sollen im Vordergrund des kirchlichen Lebens stehen. Das betont er bei unterschiedlichen Anlässen: in seinen Predigten früh morgens im Gästehaus Santa Marta, bei kirchlichen Großveranstaltungen und in Ansprachen.

 

Franziskus nimmt den Wandel ernst – ohne Traurigkeit, sondern voller Mut und Zuversicht. So hat er ein Beratungsgremium von acht Kardinälen ins Leben gerufen und strebt damit einen kollegialen Führungsstil in der Kirche an. Er will somit letztlich die Volkskirche wiederbeleben, indem er zeigt, dass die Kirche nichts ohne das Volk, nichts ohne die Gemeinschaft der Glaubenden ist. Die Kurie und die in der Kirche Wirkenden müssen sich in seinem Konzept einer Volkskirche für das 21. Jahrhundert neu als "Dienstleister" für die Menschen verstehen.

 

Der Abschied von einer Volkskirche, wie sie 500 Jahre verstanden wurde, scheint besiegelt. Dass Kirche auch im 21. Jahrhundert Volkskirche sein kann, jedoch nicht. Wie so oft in der Kirchengeschichte bringt ein Abschied einen neuen Anfang. Mit Papst Franziskus fällt dieser "Relaunch" der Volkskirche radikal aus: Die Kirche müsse die Sorgen und Nöte der Zeit ernst nehmen und dürfe Menschen in ihren Problemen nicht alleine lassen. Wie er in "Evangelii Gaudium" schreibt, wünscht er sich von den Seelsorgern "eine ständige Haltung des Aufbruchs". Für Franziskus ist das der entscheidende Schritt von einer Volkskirche hin zu einer Kirche für das Volk.

 

Markus Andorf

 

Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2016 | Ausgabe Dezember

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