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Erfolgreich scheitern

Am Rande der Verzweiflung

Was gibt Lebensmut, wenn das Leben leiddurchkreuzt wird? Was tröstet, wenn die Religion nicht tröstet? Eine kleine Umschau unter Atheisten und säkularen Philosophen.

 

Der britische Vorzeige-Atheist Richard Dawkins nannte ihn den "größten Redner unserer Zeit", US-Religionsvertreter fürchteten seinen Spott, den er unter anderem in seinem Bestseller "Der Herr ist kein Hirte" über jede Religion ausgoss: Christopher Hitchens zählte zu den berüchtigsten Essayisten und erklärten Atheisten der USA. Vor vier Jahren erlag er einem Krebsleiden, über das er in dem 2013 posthum erschienenen Buch "Endlich. Mein Sterben" Auskunft gibt.

 

Das alles wäre wohl keiner Erwähnung im "miteinander" wert, verwiese Hitchens' Buch nicht auf eine Erfahrung, die heute zu einer zentralen Herausforderung für Religionen geworden ist: So sind die Religionen bei Fragen der Bewältigung von Leid und Trauer zwar immer noch "big player", daneben gibt es jedoch nicht wenige, die erklärtermaßen a-religiös dem Los des Leidens entgegentreten. Und zwar nicht verzagt, sondern kämpfend um Möglichkeit, ringend nach Lebensatem.

 

Trotzdem Ja zum Leben sagen Man muss nicht religiös sein, um selbst in jener nachtschwarzen Erfahrung individuellen Leidens, am Rande der Verzweiflung ein lautes Ja zum Leben zu sprechen. Vielleicht lässt sich von Hitchens gar lernen, dass leichtfertig gesprochener, religiös imprägnierter Trost bloßer Mythos ist, wo er das Diesseits vorzeitig aufhebt, wo er den Menschen früher in den Horizont Gottes stellt, als es konzentriertes menschliches Leben einfordert.

 

Anders gesagt: Wer meint, dass allein der Glaube helfen kann, dem Tod zu widerstehen, halbiert die Kulturgeschichte. Denn längst haben die modernen Gesellschaften angefangen, nicht nur ihre moralischen Ressourcen selbst zu generieren. Auch der Schrecken vor dem Tod ist in seiner ganzen Tiefe nachmetaphysisch durchwanderbar geworden. Dafür stehen nicht zuletzt so schillernde Namen wie der vermeintlich religionsfeindliche Theodor W. Adorno oder Max Horkheimer.

 

Erlösung – säkular gedacht

 

Während Hitchens vor allem sein persönliches Leiden reflektiert, sind es bei Adorno und Horkheimer das Leiden und der Tod des anderen, die zum Widerspruch herausfordern. Schließlich wird ein Leben, das dem Tod des anderen zu nahe gekommen ist, zum beschädigten Leben, das zugleich volle Konzentration auf das Diesseits verlangt.

 

So schreibt Adorno in seiner Textsammlung "Minima Moralia": "Philosophie, wie sie im Angesicht der Verzweiflung einzig noch zu verantworten ist, wäre der Versuch, alle Dinge so zu betrachten, wie sie vom Standpunkt der Erlösung aus sich darstellten." Und bei Horkheimer heißt es ähnlich: "Der Gedanke, dass die Gebete der Verfolgten in höchster Not (…), dass die der Unschuldigen, die ohne Aufklärung ihrer Sache sterben müssen, und dass die Nacht, die kein menschliches Licht erhellt, auch von keinem göttlichen durchdrungen wird, ist ungeheuerlich." Diese Hoffnung, so notierte er, ist vielleicht das Einzige, was ihn angesichts der Verzweiflung davon abhält, "hier alles dem Erdboden gleichzumachen".

 

Christopher Hitchens forderte von sich "anstrengende Bewusstheit". Er wollte die "kleine Flamme der Neugier und des Widerstands nähren", jedoch keinen Trost. "Auch Atheisten sollten keinen Trost anbieten", schreibt er auf den letzten Seiten in aphoristischer Dichte. Trost ist für ihn Vertröstung und damit Ablenkung vom Leben. Diesem "Lebensfaden" wollte er bis ans Ende folgen, "wünschend, es möge mir nichts erspart bleiben, was zur ganzen Spanne eines Menschenlebens gehört".

 

Henning Klingen

 

Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2016 | Ausgabe März

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