• Ausgabe 1-2 / 2015

    GLAUBE MACHT SCHULE

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Unsere Themen im Jahr 2015

"Guter Religionsunterricht beugt Fundamentalismus vor"

 

Herr Prof. Weirer, viele Schülerinnen und Schüler stehen in diesen Tagen vor der Frage, welche Berufsausbildung sie wählen sollen. Ist Religionslehrer weiterhin ein "Geheimtipp"  für einen sicheren und interessanten Job?

 

Prinzipiell ja. Denn die altersmäßig größte Gruppe unter den Religionslehrern ist jene zwischen 50 und 60 Jahren. In den kommenden fünf bis zehn Jahren wird der Bedarf an Religionslehrern also deutlich steigen und vermutlich sogar die Zahl der Absolventen an den staatlichen und kirchlichen Hochschulen überschreiten. Diese Entwicklung betrifft alle Schulformen gleichermaßen – auch wenn es natürlich regionale Unterschiede gibt…

 

Sie können also relative Jobsicherheit in Aussicht stellen – aber ist der Job auch attraktiv?

 

Es gibt natürlich das "Problem", dass gerade in ländlichen Regionen Religionslehrer potenziell Pendler sind, die mehrere Schulen betreuen müssen. Das Problem ist allerdings für katholische Religionslehrer weniger brisant als etwa für evangelische oder islamische Kollegen, die manchmal bis zu zehn Schulen und mehr betreuen. Dieser Situation wirkt allerdings der Trend entgegen, dass Lehramtsstudierende immer häufiger auch ein zweites Fach studieren, um sich so an eine Schule zu binden.

 

Die Lehrerausbildung in Österreich steht vor gewaltigen Umwälzungen. Inwiefern betrifft das auch die Religionslehrerausbildung?

 

Das heurige Jahr steht in der Tat ganz im Zeichen der vom Unterrichts- und Wissenschaftsministerium gemeinsam forcierten "PädagogInnenbildung Neu". Die Idee dahinter lautet, alle Ausbildungsformen – egal ob an Pädagogischen Hochschulen oder Universitäten – strukturell gleich zu gestalten. Künftig soll es ein gemeinsames Studienschema geben und eine stärkere Vernetzung der Ausbildungsgänge. Auf den Religionsunterricht angewendet bedeutet das: Egal, wo man ein Lehramtsstudium absolviert – es wird nach einem gemeinsamen Lehrplan sein, der ein vierjähriges Bachelor-Studium vorsieht, dann eine Zeit der Berufspraxis und schließlich ein berufsbegleitendes, ein bis zweijähriges Masterstudium.

 

Das klingt in der Tat nach einem Großprojekt…

 

…, das alle in gleicher Weise betrifft – die staatlichen Universitäten, aber wohl noch mehr die Pädagogischen Hochschulen, zu denen ja auch die Kirchlich-Pädagogischen Hochschulen zu zählen sind. Da müssen wir sehr viel abstimmen und anpassen. Die Erwartungen sind hoch. So gehe ich von einer engeren Verzahnung von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und schulischer Praxis aus, von der alle Seiten profitieren sollten. Schließlich sollte es durch gemeinsame Lehrpläne auch zu einer Aufwertung aller beteiligten Bildungseinrichtungen "auf Augenhöhe" kommen. 

 

Warum überhaupt dieses Großprojekt? War der Leidensdruck in der Lehrerausbildung so groß?

 

Betrieben wurde das Projekt in erster Linie von den politisch Verantwortlichen in den Ministerien. Aber allen Beteiligten ist auch klar: Die Lehrerausbildung in Österreich ist gut – aber optimierbar. Die zahlreichen Parallelstrukturen kosten mehr Kraft und Geld als dass sie etwas bringen. Im internationalen Vergleich müssen wir uns gewiss nicht verstecken – wir haben gerade in der Religionslehrerausbildung eine verdienstvolle Tradition der Kooperation unter den anerkannten Religionsgesellschaften. Auch die Tatsache, dass der Islam seit 1982 einen eigenen Religionsunterricht anbieten kann, zeugt von der österreichischen Vorreiterrolle. Diese müssen wir nun verteidigen, indem wir wieder innovative Akzente setzen.

 

Damit berühren wir schon das heikle Thema der Frage nach der Rechtfertigung des Religionsunterrichts. Orten Sie einen zunehmenden Druck auf den Religionsunterricht, seine Präsenz im öffentlichen Bildungssystem zu erklären?

 

Ja, den Druck gibt es. Medial wird diese Frage etwa durch die Initiative "Religion ist Privatsache" forciert. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Angriffe der Initiative auf den Religionsunterricht auf einem Unterrichtstyp basieren, den es heute in Österreich nicht mehr gibt: Die Vorwürfe gehen schließlich dahin, dass der Religionsunterricht nur der Indoktrinierung und der Rekrutierung von kirchlichem Nachwuchs dient. Von diesem Bild eines katechetischen Unterrichts sind wir sehr weit entfernt.

 

Dennoch dürfte dieser Hinweis allein wohl noch nicht zur Rechtfertigung ausreichen…

 

Nein, natürlich nicht. Wir sollten uns kirchlicherseits in der Tat viel stärker mit der Frage auseinandersetzen sollten, welchen Dienst wir an der Gesellschaft leisten. In der Fachsprache heißt das, wir sollten uns um eine bildungstheoretische Begründung des Religionsunterrichts bemühen. Der Religionsunterricht ist schließlich ein Dienst an den Kindern und an der Gesellschaft insgesamt, insofern Religion ein gesellschaftliches Thema ist.

 

Warum braucht es denn dazu einen konfessionellen Religionsunterricht? Kann das nicht auch ein religionskundlicher Unterricht leisten…?

 

Nein, damit würde man dem Phänomen der Religion und der Art, wie tief Religion das menschliche Leben beeinflusst, nicht gerecht. Man sollte eine konfessionelle Tradition intensiv kennenlernen – im Idealfall jene, in der man selbst sozialisiert wurde. Aber machen wir uns nichts vor: dieser Idealfall wird in einer religiös pluralen und vor allem säkularen Welt immer seltener. Konfessioneller Religionsunterricht sollte daher die eigene Tradition beleuchten, aber zugleich von dieser ausgehend den Blick auf die religiöse Vielfalt im Land wagen. An die Lehrer stellt das natürlich besonders hohe Anforderungen…

 

Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Frage eines flächendeckenden Ethikunterrichts als Alternative zum Religionsunterricht?

 

Leider ist es in jüngster Zeit etwas ruhiger geworden um den Ethikunterricht. Dabei hielte ich dessen Einführung ins Regelschulwesen für ein Gebot der Stunde. Und zwar als verpflichtendes Alternativfach für jene, die sich vom Religionsunterricht abmelden oder keiner Religion angehören. In diesem Bereich könnte ein Ethikunterricht wertvolle Dienste leisten – wobei zu klären wäre, welche Rolle die Religionen in einem Ethikunterricht spielen müssten. Religionen sind ja nach wie vor 'die' gesellschaftlichen 'Ethik-Agenturen'.

 

Wie tief reicht Ihrer Einschätzung nach die Kritik am Religionsunterricht? Handelt es sich um ein "mediales Geplänkel", oder wird die Frage auch von politischen Entscheidungsträgern diskutiert?

 

Die Debatte wird tatsächlich zum großen Teil medial geführt. Aber man sollte die Gefahr darin nicht unterschätzen: Es geht darum, Religion aus der Öffentlichkeit zu verdrängen und zur Privatsache zu erklären. Es braucht aber eine öffentliche Auseinandersetzung über und mit Religion. Eine Privatisierung von Religion hinter verschlossene Kirchen- oder Moscheetüren kann nicht das Ziel sein. Religion braucht den öffentlichen Diskurs, sie muss daher auch an Schulen einen Platz haben. Ein gut gemachter Religionsunterricht ist die beste Fundamentalismus-Vorbeugung.  Insofern orte ich auch noch keine massive Infragestellung seitens der Politik. Denn ich denke, man weiß sehr wohl, was der Religionsunterricht leistet.

 

Aber nochmal: Ich bin überzeugt, dass es nicht mehr genügt, sich etwa auf ein Selbstverständnis als "katholisches Land" zu verlassen oder  gar auf das Konkordat mit dem Vatikan zu pochen, in dem der Religionsunterricht geregelt ist. Das trägt nicht weit. Wir müssen plausibel machen können, was unser Beitrag für Schüler und Gesellschaft ist.

 

Das Interview führte Henning Klingen

 

 

Prof. Wolfgang Weirer lehrt Religionspädagogik und Fachdidaktik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz. Er ist darüber hinaus Schriftleiter des „Österreichischen Religionspädagogischen Forums“ (ÖRF), einer religionspädagogische Fachzeitschrift.

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